GESUNDHEITSFORUM PRAEVENIRE: THEMATISCHER ABSCHLUSS MIT REHABILITATION, REAL WORLD EVIDENCE UND DEM SEITENSTETTENER MANIFEST ZUR ZUKÜNFTIGEN ONKOLOGISCHEN VERSORGUNG ÖSTERREICH Am dritten Tag des Gesundheitsforums PRAEVENIRE ging es bei dem ersten Panel um die aktuellen Themen Rehabilitation und Reintegration. Zu Beginn sandte Alois Stöger, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, eine Videobotschaft. In seinen Grußworten betonte er die Relevanz der Rehabilitation und Reintegration von chronisch Kranken in den Arbeitsmarkt: „Arbeit ist ein wichtiger Faktor um in unserer Gesellschaft selbstbestimmt leben zu können.“ Deshalb sei es ein wesentliches politisches Ziel, die Rehabilitation zu stärken um Menschen nach dem Motto „Rehabilitation statt Pension“ wieder, in einem Maß, das ihrer Gesundheit zuträglich ist, in ihren jeweiligen Betrieb einzugliedern. Stöger wies auf die Regierungsinitiative „Fit2Work“ hin, die Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Problem zur Thematik berät. Er freute sich über die Impulse, die vom Gesundheitsforum PRAEVENIRE ausgehen.  Rehabilitation, Reintegration und Schnittstellenprobleme  Es folgten unter anderem  Impulse von Univ.-Prof. Dr. Richard Crevenna. Dieser sprach über Geschichte und aktuellen  Stand der Rehabilitation: „Ambulant hinken wir deutlich nach. Eine wirkliche Wiedereingliederung wird erst möglich sein, wenn wir auch ambulante Strukturen schaffen. Genauso müssen wir Awarness für die Prävention und Rehabilitation schaffen und verhindern, dass es zu Schnittstellenproblemen kommt. Ein Patient muss von allen Seiten die Selben Informationen bekommen, um die Sicherheit zu erhalten, die er braucht, um wieder ins Leben zurückzukehren.“ Arbeitsmedizinerin Dr. Eva Höltl, Erste Bank AG, referierte über die möglichen Pitfalls bei den  Schnittstellen des Rehabilitationssystems und nahm Bezug auf das kurz vor der Umsetzung stehende Teilzeitwiedereingliederungsgesetz: „Es wird sehr viel Geld in die innerbetriebliche Prävention investiert. Wir verfügen aber über wenig Evidenz darüber, welche konkreten Maßnahmen in diesem Bereich zielführend sind. Unternehmen sind insgesamt ein äußerst interessantes Setting für Prävention, weil in ihnen sehr unterschiedliche Menschengruppen zusammen kommen. In der Praxis verfügen wir ab Juli 2017 bei der Wiedereingliederung mit dem Teilzeitwiedereingliederungsgesetz über vielversprechende Ansätze. Die große Herausforderung wird es sein,  die Schnittstellen zwischen Arbeitsmarkt und Gesundheit zu definieren und zu bearbeiten.“ Prim. Dr. Andreas Winkler, Ärztlicher Leiter der  innovationsorientierten Klinik Pirawarth, erzählte eine prägnante Fachgeschichte der Rehabilitation und ihres Zusammenhangs mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen: „Rehabilitation gibt es erst seit ca. 100 Jahren und sie war immer ein Spiegel der gesellschaftlichen Zustände. Sie hat das sogenannte Kurwesen abgelöst.1918 wurde die erste Einrichtung für Weltkriegsverletzte eröffnet. In den 1970er Jahren wurden die Hochgeschwindigkeitstrauma von Verkehrsverletzten die Herausforderung in der Rehabilitation. Aktuell beginnt sich das Fach auf die demografischen Entwicklungen einzustellen und einen Schwerpunkt auf geriatrische und psychiatrische Rehabilitation zu setzen. “   Internationale Experten über „Real World Evidence“ Im Anschluss diskutierte Dr. Armin Fidler mit internationalen Experten über „Real World Evidence“ und komplexe Datenanwendungen. Tünde Szabo, unabhängige Gesundheitsökonomin, benannte die Probleme zur aktuellen Lage der Big-Data-Anwendungen: “Within a day we collect more information than our ancestors in the  16th century did in a whole lifetime. This information is the future. That is what we can agree on. But I think a big question on Big Data is who will use the information and interpret it. In public discourses we are always talking about an undefined “we” that will make sense of all this data. At the moment big private companies like Facebook and Google are mining all this data. We have to define what to do with the data, how to protect it and how to interpret it. Public officials and we as a society should define this processes right now and agree on data policies”, so Szabo. In der Diskussion, kristallisierten sich als Problemfelder die Datensicherheit, die Standardisierung bei der Datenerhebung und die Frage der Zugänglichkeit der Daten durch kommerzielle Firmen heraus. Prof. Dr. Éva Orosz, Eötvös Loránd Universität Budapest, wies auf das Spannungsverhältnis zwischen individuellen Rechten der Patienten und der uneinheitlichen Lage zu den Erhebungsmöglichkeiten von Daten hin: “The crucial point of data usage is the protection of the data of individual patients. We have to secure that medical data is just used by medical professionals like doctors. Also science should be able to use individual patients’ records for analysis and research, but in an anonymized way to protect the data of the patient. However, to make decisions based on real world evidence, policy makers need big amounts of aggregated data. A big issue here is data standardization. We can just aggregate and further interpret data, when we implement scientific methods of standardization first.”  Am Ende der Diskussionsrunde bat Fidler die Experten ihre Wünsche und Hoffnungen zu Big Data auszudrücken.   Dr. Klaus Schuster, Policy Lead Region Europe, Hoffmann-La Roche Ltd., sah in Big Data die Möglichkeit zu verstärkter Kooperation im Gesundheitswesen: “My expectation is that big data will enable us to truly individualize therapy for many disease entities. My second expectation is that the sharing of data and collaboration in data mining and interpreting will bring all stakeholders in the health system closer together, which itself is a big opportunity for a sustainable HC system.” Tünde Szabo sprach sich für eine aktivere Rolle der Geundheitsexperten in digitalen Umgebungen aus:“We health experts should be influencers for health care decisions such as prevention and vaccination, as well as seeking proper oncology care instead of alternative medicine right at the place where people shape their minds. We should be present on Twitter and Facebook because that is where the people are.” Zum Schluss betonte Orosz ihre Hoffnung, dass durch die Vereinheitlichung der Datensätze ein europaeinheitliches Informationssystem zu Krebs in Reichweite sei: “My expectation is that we will find an actor, be it public policy makers, institutions or others, who will lead the process of creation of a European comprehensive system on cancer.”   Datenevidenz bei Wissenschaft, Forschung & Innovation Am Nachmittag widmete man sich in einer Session zunächst dem weitläufigen Themenfeld von Wissenschaft, Forschung und Innovation. Daten und deren Funktion im Gesundheitswesen spielten hierbei eine große Rolle. Konkret ging Prof. Dr. Ansgar Weltermann auf deren Beitrag zu einer besseren Medizin der Zukunft ein: „Gerade in der Onkologie ist die Medizin bereits so komplex, dass nur mehr der spezifische Experte in der Lage ist, einen komplexen Tumorpatienten optimal zu behandeln. 2013 haben in Oberösterreich onkologische Experten gemeinsam mit ihren Spitalsträgern ein Tumorzentrum gegründet, in dem Patienten unabhängig von dem Spital in dem sie aufgenommen werden, nach einheitlichen Kriterien diagnostiziert und behandelt werden. Hierzu wurden zwischenzeitig mehr als 40 medizinische Leitlinien entwickelt. Diese werden im Schnitt alle 6 Monate aktualisiert und sie lassen uns auf ein großes Datenfeld schauen. Wir verwenden dabei eine Datenbank und benutzen diese auch zur Zertifizierung. In weiterer Folge können wir die Daten auch mit anderen – national und international – vergleichen“, so Weltermann. In England werden längst konkrete Outcome Zahlen eines spezifischen Chirurgen zu einer spezifischen Operation veröffentlicht. „Davon sind wir in Österreich noch weit entfernt“, ergänzte Weltermann. Dr. Nikolas Popper, wissenschaftlicher Leiter der dwh GmbH und Leiter von Dexhelpp, knüpfte an und ergänzte: „Wir müssen schauen, schnell vorhandene Möglichkeiten der Datenanalyse und Modellierung aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen zu bringen und so aus den Daten, die wir haben wirklich Mehrwert zu gewinnen, nur so können wir sinnvoll etwas weiterbringen“. Prof. Dr. Reinhard Riedl, Leiter des Fachbereichs Wirtschaft an der Berner Fachhochschule, griff dann die Themen Government und Digital Skills auf: „In der Schweiz will man nicht abhängig sein. Daher hat man sich zu einem nationalen Forschungsplan zu Big Data entschieden und verfolgt das Ziel  einer nationalen Dateninfrastruktur. Beides hat unweigerlich mit dem Gesundheitswesen zu tun. Da dies einer der wichtigsten Anwender der angewandten Datenwissenschaft ist, sind genau hier die besonders großen Probleme“, so Riedl, der auch der Ethik in diesem Zusammenhang große Bedeutung beigemessen hat und eine innigere Reflexion mit Daten einer Überregulierung gegenüber präferieren würde. Über das Gesagte reflexierten anschließend u.a. Peter Halwachs, Geschäftsführer der LISA Vienna, Mag. Jan Pazourek, Generaldirektor der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK) und Dr. Johannes Pleiner-Duxneuner, Medical Director bei Roche Austria. „Eine wichtige Rolle spielen auch Politik und Gesetzgeber. Derzeit kommen vier europäische  Verordnungen in die Umsetzung. Die Datenschutzgrundverordnung, die Clinical Trial Regulation, die Medizinprodukteverordnung und die In-vitro-Diagnostika Verordnung. Bei der nationalen Umsetzung ist darauf zu achten, dass wir die Bedürfnisse aller Akteure im System, also auch jene von Industrie und Wissenschaft, beachten“, so etwa DI Peter Halwachs. Später ging man in einer Podiumsdiskussion der onkologischen Versorgung heute und morgen auf den Grund. Dabei wurde das „Seitenstettener Manifest zur zukünftigen onkologischen Versorgung Österreichs“ präsentiert, das Diskussionsanregungen  formuliert, um das aktuell hohe Niveau der onkologischen Versorgung auch morgen noch garantieren zu können. Zahlreiche Experten haben ihren Input dafür geliefert und ihre Unterschrift daruntergesetzt.  So auch Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant, der den Dialog der letzten Tage sehr begrüßte und hervorhob: „Den Geist von Praevenire auch nach außen zu tragen ist worum es letztlich geht. Es ist wichtig, dass diese bedeutsamen Anliegen weitergetragen werden – zu jenen, für die sie letztlich gemacht sind – die Patienten“, so Gnant.     PRAEVENIRE bedankt sich bei folgenden Unterstützern…   …für ihren inhaltlichen Beitrag: Alois Mock Institut, AM PLUS, Berner Fachhochschule, Berufsverband Österreichischer Dermatologen, Berufsberband Österreichischer Psychologinnen, Bruck an der Mur, Darm Plus, Satteins, Haslach, Georg, Institut für Atemwegs und Lungenerkrankungen GmbH, Guntramsdorf, MedUni Wien, Institut für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien, OBGAM, Österreichische Apothekerkammer, Österreichischer Apothekerverband, ÖBSV, ÖGKH, Österreichische Gesellschaft für Nephrologie, ÖGPMR, ÖGVAK, Pöggstall, Sierning, Stockerau, vfwf …für ihren finanziellen Beitrag: Baldinger und Partner, Celgene, Daiichi-Sankyo, Gilead, Industriellen Vereinigung, Klinik Pirawarth, MedUni Wien, MSD, Österreichischer Apothekerverband, ÖBSV, Roche, Vamed   Ziel des PRAEVENIRE Gesundheitsforums ist es auch in diesem Jahr, vorhandenes Wissen in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Experten in Programme zu übersetzen, deren Umsetzung einen direkten Nutzen für die Bevölkerung stiftet. Die Erfolgsindikatoren der Umsetzung werden gemeinsam von Experten und den Vertretern der Gemeinde bestimmt. Dieses Jahr werden die Themenbereiche Onkologie sowie der Bewegungs- und Stützapparat behandelt.